Novalis- und Blütenstaub-Preis

Ausschreibung des Novalis- und des Blütenstaubpreises 2027


Die nächste Preisverleihung findet 2027 statt und wird durch die ING und in Kooperation

mit der Friedrich-Schiller Universität Jena, Forschungsstelle für europäische Romantik, ausgerichtet. Nähere Informationen werden demnächst hier veröffentlicht.



Neoromantik. Tautologiepoetik. Nicht-Landschaften.

Neue Perspektiven der Romantikforschung anlässlich der Verleihung des Novalis-Preises


Am 3. Mai 2025 wurde in den Rosensälen der Friedrich-Schiller-Universität Jena der Novalis-Preis 2025 verliehen. Der Preis wird von der Internationalen Novalis-Gesellschaft und der Forschungsstelle Europäische Romantik der Universität für herausragende Forschungen zur Romantik und ihren Wirkungen (Dissertationen, Habilitationen) in zweijährigem Turnus ausgelobt.


Am 2. Mai, dem Geburtstag von Friedrich von Hardenberg, hatten die Veranstalter zu einem wissenschaftlichen Kolloquium eingeladen, das sich der Frage nach den „Politiken der Romantik“ widmete.


Ausgezeichnet wurde in diesem Jahr Raphael Stübe für seine Dissertation mit dem Titel „Neoromantik der Jahrhundertwende. Transformationen eines romantischen Erzählmodells um 1900“. Raphael Stübe widmet sich in seiner Arbeit dem literarhistorischen Phänomen der Neuromantik und deren Motiven und Wirkungen, wobei er zum einen diskurstheoretisch nach der Virulenz des Begriffs ‚Neuromantik‘ im medialen Diskurs und auf dem literarischen Markt der Zeit um 1900 fragt und andererseits die Schreibstrategien einzelner Autoren und Autorinnen exemplarisch untersucht, um modelltheoretisch zu beschreiben, was genau sich in neoromantischen Texten im Vergleich zur Romantik um 1800 verändert hat. Ein gewagtes Unternehmen insofern, als schon der Begriff ‚Neuromantik‘ in seiner Zeit nicht mehr kanonisch gebraucht wurde, sondern als einer unter vielfältigen Ismen, literarischen Moden und Lebensreformbewegungen, die eine Moderne propagierten, die sich keineswegs in allen Aspekten als modern erwies. Um so bemerkenswerter, dass es Raphael Stübe in seiner Arbeit gelingt, den Blick nicht nur fokussiert zu schärfen, sondern im Vergleich mit der historischen Romantik um 1800 gerade auch für die problematisch vereinfachenden Tendenzen der Romantik-Rezeption um 1900 zu öffnen.


In seinem Kolloquiums-Vortrag konnte er anhand von Gedichten von Richard Dehmel, eines um 1900 weithin rezipierten Schriftstellers, diese Tendenzen als Monoperspektivierungen (etwa des Begriffes „Liebe“), pluralisierte Synthesen („Erlösungen“) oder Verrätselungen (disguised symbolism) zeigen; mit anderen Worten: die kulturell-gesellschaftlichen Befindlichkeiten hinter Begriffen wie Individuum, Liebe, Natur oder eben Erlösung haben sich im Verlauf des Jahrhunderts von 1800 zu 1900 weitgehend verändert – und mit ihnen das, was man unter „Romantik“ begrifflich wie landläufig verstand und versteht.


Auch Julia Soytek und Martin Ehrler, deren Arbeiten die Jury ebenfalls in die engere Wahl gezogen hatte, betonten in ihren Vorträgen auf je eigene Weise die historische Diskursivität des Romantik-Begriffs.


Julia Soytek wendet sich in ihrer Dissertation zum Thema „Tautologiepoetik. Begründungen frühromantischer Formkunst im Grenzbereich moderner Kommunikation“ mit Foucault den Grenzen des Sprechens und der Sprache zu und nähert sich quasi von außen, nämlich aus systemtheoretischer Perspektive den Werken der (Früh-)Romantiker. In der Zeit um 1800, so konstatiert sie mit Luhmann, habe sich eine neue Art des Sprechens, eine selbstbezügliche, autogenerative Kommunikation durchgesetzt, von der auch die Literatur der Frühromantik in ihrer Formqualität geprägt ist. Seinem Begriff der differentiellen Selbstreferenz setzt sie den Begriff der tautologischen Selbstreferenz (Abbruch, Leerlauf, Verstummen) sozusagen als Kehrseite der Autonomisierung, an die Seite. Die Frühromantiker, so ihre These, hätten in ihren Texten mit der Möglichkeit dieser unterschiedslosen Selbstreferenz „gerechnet“ und Schreibstrategien zu deren Abwehr entwickelt und damit ein neues Formparadigma geschaffen, „das Differenz und Kontingenz in neuartiger Weise zum konzeptuellen Primat macht“; mit anderen Worten: ein Schreiben, das sich selbst als Formbildungsprozess (in der Spannung zwischen Formgewinnung und Formabbau) beobachtbar macht − eine frühromantische „Tautologiepoetik“, so Julia Soytek. Sie fundiert ihre These in der Diskussion von Hegels Romantik-Kritik und anhand formtheoretischer Romantiklektüren in der Folge Benjamins und Luhmanns, um uns schließlich zu tautologiepoetischen Lektüren von Tiecks Blondem Eckbert, Friedrich Schlegels Essay Über die Unverständlichkeit und von Brentano-Gedichten zu führen, wobei auffällt, dass tautologiepoetische Befunde stets in Kontexten prekärer „Sozialität“ auftreten.


Während der Begriff „Sozialität“ in ihrer Arbeit weitgehend unbestimmt bleibt, machte Julia Soytek in ihrem Kolloquiums-Beitrag deutlich, dass es ihr bei ihren formtheoretischen Erwägungen vor allem um Denkmöglichkeiten von Pluralität, verstanden als Denkmöglichkeiten von demokratisch verfassten Gemeinwesen, geht, die von der Generation um 1800 (unmittelbar nach den Umbrüchen der Französischen Revolution) allenfalls rudimentär wahrgenommen werden konnten, uns heute indes um so mehr interessieren.


Auch in Martin Ehrlers Arbeit zum Thema „Nicht-Landschaften. Zur Rezeption der Romantik bei Wolfgang Hilbig und Wolfgang Mattheuer“ geht es um Politiken der Romantik. Ausgehend von einer Foto-Montage von Joachim Jansong „Leipziger Landschaft mit Selbstportrait“ (1982) fokussiert er anhand des romantischen Modells idealer Landschaft auf das Verhältnis von Mensch – Natur, um mit Marc Augé einen topologischen Bezugsrahmen zu entwickeln. Während dessen „Nicht-Orte“ („non-lieux“) die negierende Bewegung des Transitorischen meinen, erhält der Begriff der „Nicht-Landschaft“ bei Martin Ehrler eine politisch existentielle Dimension. Er kann zeigen, dass sowohl Hilbig wie Mattheuer, beide Romantikleser und -kenner, das romantische Form- und Motiv-Arsenal gezielt gegen die offizielle Kunstdoktrin ästhetisch einsetzten, wenngleich mit anderen Konsequenzen. Während Mattheuer in seiner Bildsprache, die Ideal und Realitäten konfrontativ einsetzt, sozialistische Surrealismen erzeugt, überlagern sich Kunst und Leben bei Hilbig. In den verwilderten Landschaften seiner Texte scheinen sich sämtliche Semantisierungen wie in einem negierenden Sog in ihren Grund zurückzunehmen.


Ein romantisches Thema − und zugleich ein eminent politisches. An allen drei Beiträgen des Kolloquiums wurde deutlich, dass sich mit romantischem Arsenal trefflich nachdenken lässt, dass aber über „Romantik“ reden, immer auch heißen sollte, die politisch-historisch-anthropologischen oft schillernden Semantiken von Begriff und Phänomen genau in den Blick zu nehmen.


Wie breit das Spektrum dessen ist, was in und außerhalb der Wissenschaften unter Romantik verstanden werden kann, zeigte Sandra Kerschbaumer in ihrem Impulsreferat. Lang ist die Liste der Vorwürfe gegen die Romantik (Träumertum, Utopimus, Subjektivismus, Irrationalismus, Profaschismus) und die Liste ihrer antikapitalistischen, liberalen und libertären Indienstnahmen bis heute. Ein Blick auf die Rezeptionsgeschichte der Romantik von Hegel und Lukács einerseits bis Kropotkin und Rorty andererseits zeigt, dass wir es stets mit Vereinfachungen und Funktionalisierungen zu tun haben, von denen auch die wissenschaftlichen Diskurse nicht immer frei waren. Kerschbaumer mahnte daher einen verantwortlichen wissenschaftlichen Umgang mit den historischen Befunden an und fragte, mit Blick auf die Gegenwart, wer heute auf Konzepte und Ideen von Novalis, Schlegel, Adam Müller oder Caspar David Friedrich zurückgreife. Mit Blick auf den neurechten Vordenker Götz Kubitschek, der mit Novalis‘ „Christenheit oder Europa“ eine Konsensbildung jenseits demokratischer Mehrheitsentscheidungen propagiert (Sezession, April 2022), oder den Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke, der sein Rechts- und Verfassungsordnung abwertendes Politikverständnis auf eine „romantische Tiefenhellsichtigkeit der Deutschen“ (Nie zweimal in denselben Fluss, 2018) bezieht, müsse immer wieder gefragt werden, inwieweit solche Bezüge sich einem Kernbestand vermeintlich „romantischer Traditionen“ verdanken, oder ob es sich dabei nicht vielmehr um politisch motivierte Symbolpolitiken handelt, die durch präzise ideengeschichtliche Kontextualisierung (wie dies Matthias Löwe und Tilman Reitz getan haben) zu widerlegen sind.


Die Diskussion des Nachmittags zeigte, wie vielschichtig die Problematik sich im Fächerkanon der Wissenschaften, aber auch in europäischer Perspektive darstellt. Nicht zuletzt deshalb wäre es wünschenswert, wenn Forschungseinrichtungen und Gedenkstätten und Museen als Wissensvermittler in die breitere Öffentlichkeit noch enger zusammenarbeiten würden. Wie erfolgversprechend das sein kann, bewies auch die Festrednerin Anne Bohnenkamp-Renken am Konzept des Frankfurter Romantik-Museums. Die Forschungsstelle Europäische Romantik der Friedrich-Schiller-Universität Jena und die Internationale Novalis-Gesellschaft Oberwiederstedt, das erwies sich auch in diesem Jahr, tragen mit dem Novalis-Preis wesentlich dazu bei.


Hanna Delf von Wolzogen

04.06.2025



Verleihung des Novalis-Preises 2025

an Dr. Raphael Stübe

für seine Arbeit

Neoromantik der Jahrhundertwende. Transformationen eines romantischen Erzählmodells um 1900.

 


Am 3. Mai 2025 konnte Herr Dr. Stübe den Novalis-Preis 2025 in Empfang nehmen.

Die Internationale Novalis-Gesellschaft e.V. und die Forschungsstelle für Europäische Romantik der Universität Jena gratulieren – unterstützt durch die Grußworte zur Preisverleihung der beiden Schirmherren des Preises, den Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen Mario Voigt und den Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt Dr. Reiner Haseloff – Herrn Dr. Stübe zu seiner herausragenden Arbeit zur Romantik-Forschung und wünschen ihm viel Erfolg in seiner weiteren wissenschaftlichen Laufbahn.

 

Die Urkunde wurde Herrn Dr. Stübe durch die Vizepräsidentin der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Prof. Dr. Bärbel Kracke, und die Präsidentin der Internationalen Novalis-Gesellschaft, Prof. Dr. Karin Richter, überreicht.



Über den wissenschaftlichen Werdegang von Herrn Dr. Stübe sowie seine mit dem Novalis-Preis ausgezeichnete Arbeit können Sie sich in einem Interview näher informieren, das Herr Dr. Helmut Hühn, gemeinsam mit Prof. Dr. Johannes Grave, Leiter der Forschungsstelle Europäische Romantik und Leiter von Schillers Gartenhaus sowie des Goethe-Laboratoriums der Universität Jena, mit dem diesjährigen Preisträger geführt hat.






Die Romantik und die Wissenschaften - das ist ein facettenreiches und 
faszinierendes Thema. Es ergibt sich aus der besonderen Wechselbeziehung
 zwischen der Poesie und den Wissenschaften, die für die deutsche Literatur
 im ausgehenden 18. Jahrhundert charakteristisch ist
.
 

Herbert Uerlings: Novalis und die Wissenschaften
in: H. Uerlings (Hrg.): Novalis und die Wissenschaften 
Vorträge der 1. Fachtagung der Internationalen 
Novalis-Gesellschaft (1994), Tübingen 1997 , S. 1.

 


 

Novalis-Preis
für innovative und impulsgebende Forschungen
zur europäischen Romantik

   

Ausgelobt durch
                        - die Internationale Novalis-Gesellschaft e.V.,
                        - die Stiftung „Wege wagen mit Novalis“ (Forschungsstätte für Frühromantik)
                        - und die Friedrich-Schiller Universität Jena, Forschungsstelle für europäische Romantik,


wendet sich die Einladung zur Bewerbung um den Novalis-Preis an junge Wissenschaftlerinnen 
und Wissenschaftler aus aller Welt, die insbesondere im Bereich der Literaturwissenschaft, der Philosophie, der Künste und ihrer Geschichte, der Wissenschaftsgeschichte, der Religionswissenschaften oder der Gesellschaftswissenschaften arbeiten, und in ihrem Gebiet herausragende Arbeiten zur europäischen Romantik verfasst haben.


Mit dem Preis sollen Forschungsarbeiten ausgezeichnet werden, die grundlegende und innovative theoretische oder methodische Fragen zur Romantik-Forschung untersuchen.


Zur Bewerbung um den Novalis-Preis sind Qualifikationsarbeiten zur genannten Thematik (Dissertationen oder Habilitationen) sind ebenso wie herausragende Masterarbeiten und Buchpublikationen dieser thematischen Ausrichtung zugelassen.


Der Novalis-Preis ist mit 2.500 Euro dotiert und wird international ausgeschrieben.

Die Preisverleihung findet in der Regel im 2-Jahres-Rhythmus statt.

Eine gemeinsame, international besetzte Auswahlkommission der beteiligten Institutionen wählt die Preisträgerinnen und Preisträger  aus.

 

Nächste Preisvergabe: 2027

Ausschreibungsfrist zur Einreichung von Vorschlägen: 31. Juli 2026

Einreichung formloser Vorschläge an folgende Adresse: kontakt@internationale-novalis-gesellschaft.de


Verlinkung zur
Seite des Novalis-Preises auf der Homepage der FSU Jena
 
Verlinkung zur
Geschichte des Novalis-Preises auf der Homepage der FSU Jena


Geschichte des Novalis-Preises

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Blütenstaub-Preis



Die Internationale Novalis-Gesellschaft, 
die Stiftung „Wege wagen mit Novalis“ (Forschungsstätte für Frühromantik)
und die Friedrich-Schiller Universität Jena, Forschungsstelle für europäische Romantik
zeichnen mit diesem Preis


            kreative Projekte von Schülerinnen und Schülern aller Schulformen
            sowie von Studierenden


aus, denen es gelingt, gegenwartsbezogene Zugänge zu romantischen Traditionen (d.h. den Ideen und Konzepten der Romantik) zu schaffen und die Aktualität der romantischen Fragestellungen in unterschiedlichen Medien zu vergegenwärtigen.
 
Der Blütenstaub-Preis ist mit einem Preisgeld in Höhe von 500 Euro verbunden und wird deutschlandweit ausgeschrieben. Die Verleihung erfolgt in der Regel alle 2 Jahre. 
Eine gemeinsame Auswahlkommission der beteiligten Institutionen wählt die Preisträgerinnen und Preisträger aus.


Die Preisverleihung erfolgt unter der Schirmherrschaft des Altpräsidenten der ING Prof. Dr. Dennis Mahoney sowie des Präsidenten der Universität Jena und des Stifters der Stiftung „Wege wagen mit Novalis“. Die Übergabe des Preises erfolgt in Verbindung mit der Verleihung des Novalis-Preises.

 

Nächste Preisvergabe: 2027

Ausschreibungsfrist zur Einreichung von Vorschlägen: 31. Juli 2026

Einreichung formloser Vorschläge an folgende Adresse: kontakt@internationale-novalis-gesellschaft.de



Geschichte des Blütenstaub-Preises



International Novalis Society and Friedrich-Schiller-University Jena are pleased to announce the following awards:

  • the Novalis Prize for innovative research on topics relating to European Romanticism by PhD or post-doctoral projects equivalent to the “Habilitation” and
  • the Blütenstaub Prize for projects on Romanticism by students.

The Novalis Prize of €2,500 is open to international competition; the Blütenstaub Prize of €500 is open to students in the Federal Republic of Germany, with the possibility of a Blütenstaub Prize on both the secondary and university levels.

An international jury comprising members of both participating institutions will jointly select the winners.



next award ceremony: 2027

call deadline for submission of proposals:  31 July 2026

Submit informal proposals to the following address: kontakt@internationale-novalis-gesellschaft.de